Weiterbildung und lebenslanges Lernen: Wird Gamification zum
Gamechanger? Acht Erfolgsfaktoren
Gamechanger?
Was haben Super Mario, Pac-Man, Donkey Kong und Tetris gemeinsam? Richtig: Alles sind beliebte Videospielklassiker 🎮 der 80er, deren Ziel es ist, den ultimativen Highscore zu knacken. Dieses Spielprinzip machen sich immer mehr Unternehmen zunutze. So auch im Rahmen der Weiterbildung – um den Lerneffekt zu verbessern und den Prozess effizienter zu gestalten. Ein Geheimtipp?
Super Mario während der Arbeitszeit
Heute muss Karl Hindernisse überwinden und verschiedene Gegner bezwingen, um am Ende des Levels Prinzessin Peach aus dem Schloss von Bowser zu befreien. Und dabei darf er auch nicht vergessen, die Münzen auf dem Weg einzusammeln. Denn sonst wird das nichts mit dem neuen Highscore… Vermutlich denken Sie jetzt, dass er sich schon im Feierabend-Modus befindet und seinem Hobby dem Videospielen nachgeht – doch er befindet sich noch mitten in der Arbeitszeit: Da das Unternehmen, in dem Karl angestellt ist, gerade die digitale Transformation durchläuft, stehen eine ganze Menge Weiterbildungen auf dem Plan. Dabei probiert das Unternehmen Gamification als neue Lernmethode aus.
Lernen hat oft ein negatives Image – zu unrecht
Die digitale Transformation ruft permanent neue Veränderungen hervor – einer der Gründe, warum Unternehmen ihren Mitarbeitenden lebenslanges Lernen ermöglichen müssen. Klingt erst einmal nur innovativ und auch recht simpel. Geht es daran, das umzusetzen, zeigen sich jedoch große Herausforderungen: Lernen verbinden viele Menschen immer noch in erster Linie mit dem Frontalunterricht in der Schule. Mit ganz viel Langeweile, eintönigen Unterrichtsstunden, nervigen Hausaufgaben und Versagensangst vor Klassenarbeiten. Und natürlich möchte niemand in der Klasse als Streber gelten. Außerdem wird Lernen auch mit Anstrengung assoziiert.
Dabei muss Lernen sogar anstrengend sein – denn nur dann kann sich die eigene Leistung steigern. Ähnlich wie beim Sport: Auch dort kommt der Trainierende nur weiter, wenn er oder sie sich kontinuierlich höhere Ziele setzt. Sei es bei der Kilometer-Zahl beim Laufen oder bei den Gewichten im Fitnessbereich. Wenn Sie hingegen immer die gleiche Anstrengung zu bewältigen haben, können Sie Ihre Leistung bloß auf dem vorhandenen Level halten. Und das steht Wachstum und Weiterentwicklung logischerweise im Weg.
Wie erreichen Sie nun, dass Ihre Mitarbeitenden diese Anstrengung auf sich nehmen, anstatt es sich in ihrer Komfortzone bequem zu machen? Das Prinzip ist recht einfach: Aus Neugierde lernen Menschen gerne, dann lernen sie nämlich aus eigenem Antrieb – man spricht hier von der intrinsischen Motivation. Und dann macht ihnen die Anstrengung auch nicht viel aus – der Lerneffekt passiert quasi nebenbei. Die Aufgabe von Unternehmen besteht also darin, sich diese Erkenntnis zunutze zu machen.
Folge 31
Was haben Super Mario, Pac-Man, Donkey Kong und Tetris gemeinsam? Richtig: Alles sind beliebte …
Was haben Super Mario, Pac-Man, Donkey Kong und Tetris gemeinsam? Richtig: Alles sind beliebte Videospielklassiker der 80er, deren Ziel es ist, den ultimativen Highscore zu knacken. Das Spielprinzip machen sich heute immer mehr Unternehmen im Rahmen der Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden zunutze. Handelt es sich vielleicht sogar um einen Geheimtipp für das Konzept „Lebenslanges Lernen“?
Mehr…Gamification: Trockene Themen spielend lernen
Hier kommt Gamification ins Spiel. Gamification gilt als Megatrend und bietet neue Möglichkeiten für die betriebliche Weiterbildung Ihrer Mitarbeitenden. Was verbirgt sich hinter „Gamification“? Im Fachjargon spricht man von Gamification, wenn Spielelemente in einen Nicht-Spiele-Kontext integriert werden: Lernen und Spielen werden miteinander verbunden. Damit soll es einfacher sein, den Mitarbeitenden teils ungeliebte bzw. trockene Lernthemen zu vermitteln. Wie genau können Sie das nun in der Praxis umsetzen? Dazu ein Beispiel aus der Microsoft-Welt.
„Ribbon Hero“: Die Microsoft Office-Schulung mit Entertainment-Faktor
Ribbon Hero ist eine Gamification-Anwendung von Microsoft und ist – auch wenn sie mittlerweile schon einige Jahre auf dem Buckel hat – eine der wohl bekanntesten überhaupt. Und sie veranschaulicht das Gamification-Prinzip ziemlich gut.
In dem kostenfreien Add-on geht es darum, dass die Anwendenden in einem spielerischen Kontext die Microsoft Office-Produkte (der Versionen 2007 und 2010) kennenlernen. Sie müssen verschiedene Aufgaben bewältigen, um am Ende als Profi in Sachen Word, Excel, PowerPoint und OneNote aus dem Spiel herauszugehen. Ribbon Hero konzentriert sich dabei keineswegs nur auf die Basics, sondern vermittelt den Anwendenden auch weitergehende Tipps, z. B. zu etwas exotischeren Tastenkürzeln und Shortcuts. Nützliche Tastenkombinationen, die Ihre Arbeit effizienter machen, gibt es übrigens auch für Business Central bzw. Dynamics NAV eine ganze Menge.
Erinnern Sie sich noch an die manchmal sehr nervige Büroklammer „Clippy“, die in älteren Office-Versionen immer am Bildschirmrand aufgetaucht ist und unbedingt helfen wollte? Auch in Ribbon Hero ist Clippy wieder mit dabei – sie gibt der oder dem Anwendenden klare Aufgaben, die in kurze Lerneinheiten – „Challenges“ – eingeteilt sind.
Haben die Anwendenden eine Challenge erfolgreich gemeistert, wird ihnen direkt eine bestimmte Anzahl an Punkten gutgeschrieben. Insgesamt können die Anwendenden pro Office-Produkt – also z. B. Excel – maximal 300 Punkte erzielen. Eine Challenge aus dem Bereich Word nennt sich beispielsweise „Spelling & Grammar“. Hier erscheint ein vorerstelltes Dokument, in dem die Anwendenden alle rot, grün oder blau unterstrichenen Texte mithilfe der Word-Tools korrigieren müssen und dafür sechs Punkte für ihr Punktekonto ergattern können.
Für die Extra-Portion an Motivation können Anwendende Ribbon Hero sogar mit ihrem Facebook-Profil verbinden. Damit wird auch der Wettkampfmodus aktiviert, da sie jeden Erfolg mit ihren Facebook-Freunden teilen können und sich untereinander überbieten möchten.
Merke: Gamification muss nicht zwingend wie ein komplexes Computerspiel aufgebaut sein. Schon einfachere Spiel-Elemente fallen in diese Kategorie. Wie zum Beispiel die bloße Visualisierung der Lernerfolge durch animierte Fortschrittsbalken. Und auch wenn Sie Payback-Punkte beim Drogerie-Einkauf oder Monopoly-Karten bei der Burger-Bestellung sammeln, sind das Gamification-Elemente – hier natürlich in einem anderen Kontext und nicht mit der Intention, neues Wissen aufzubauen.
Spielen und Lernen kombinieren: Emotionen sorgen für einen höheren Lerneffekt
Was ist nun der grundlegende Vorteil von Gamification? Inwiefern wirkt sich das Konzept positiv auf den Lerneffekt aus? Indem Lernen und Spielen miteinander verknüpft werden, verliert Lernen seinen schweren, manchmal erdrückenden Charakter. Das liegt daran, dass im Lernprozess Emotionen hervorgerufen werden – jedoch natürlich nicht ausschließlich positive. Es ist klar, dass es kurzzeitig zu Frustration und Ärger führt, wenn man zum Beispiel eine Aufgabe nicht auf Anhieb bewältigen kann.
Der Lernprozess macht jedoch insgesamt mehr Spaß und der damit verbundene Stress reduziert sich – Lernen wird nicht mehr primär als Anstrengung empfunden. Dadurch sind Ihre Mitarbeitenden motivierter, was dazu führt, dass der Prozess effektiver wird: Das neu erlernte Wissen manifestiert sich dauerhaft, anstatt spätestens mit dem Start der nächsten Lerneinheit direkt wieder aus dem Gedächtnis verbannt zu werden. Und mal ganz ehrlich: Ist es nicht viel spannender, am Ende einer Weiterbildung einen „Endgegner“ besiegen zu müssen, als sich einer 0815-Abschlussprüfung mit eintönigen Wissensabfragen zu stellen?
So kann Gamification die berufliche Weiterbildung auf ein neues Level bringen
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Transparenz: Es muss klare, transparente Regeln geben. Um Unsicherheiten und Verwirrung zu vermeiden, denn das ist logischerweise ineffizient. Dazu gehört auch eine grafische Fortschrittsanzeige – zum Beispiel als Balken – , die für die Lernenden permanent sichtbar ist.
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Machbare Aufgaben: Die Herausforderungen innerhalb des Spiels müssen realistisch sein. So dürfen die Lernenden weder überfordert sein – das führt zu Stress und damit zu Demotivation – noch dürfen sie stark unterfordert sein. Denn auch dann fehlt es an intrinsischer Motivation.
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Levels: Spiele sollten in einzelne Levels aufgesplittet sein, sodass der gesamte Lernaufwand von den Lernenden als machbarer empfunden wird. Außerdem sinkt die Angst vor einem riesigen Berg an doppelter Arbeit, sollte eine Lerneinheit einmal nicht im ersten Anlauf bestanden werden und wiederholt werden müssen.
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Individualität: Das Lernangebot sollte bestenfalls personalisierbar – also individuell auf unterschiedliche Lerntypen zugeschnitten sein. Beispielsweise gibt es Mitarbeitende, die Informationen eher visuell verarbeiten und andere wiederum akustisch.
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Direktes Feedback: Das Feedback muss direkt in Echtzeit erfolgen, z. B. über Multiple Choice-Aufgaben mit automatischer Auswertung. Dadurch können die Lernenden ihren Lernprozess selbstständig steuern: Wann, wie schnell und wie viel sie auf einmal lernen liegt im eigenen Ermessen. Denn auch hier gibt es natürlich individuelle Präferenzen.
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Belohnung: Damit sich das neue Wissen manifestiert, braucht es eine positive Verstärkung. Für die Lernerfolge muss es eine Anerkennung geben. Das können etwa Lernpunkte sein, die man sammelt um einen Fortschrittsbalken zu füllen. Oder dass neue Spiellevel oder Bonus-Inhalte bei Lernerfolgen freigeschaltet werden. Damit bekommt der Lernprozess eine Art „Suchtfaktor“.
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Ranglisten: Noch motivierender wird es, wenn Wettbewerbe und Interaktion zwischen den einzelnen Lernenden ermöglicht werden. Das weckt noch mehr den Ehrgeiz, als Sieger aus dem Spiel hervorzugehen und in der Highscore-Tabelle ganz oben zu stehen.
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Ansprechende Optik: Die Oberfläche des Spiels sollte einheitlich und für die Lern-Zielgruppe möglichst ansprechend gestaltet sein. Das Auge spielt mit! So kann an manchen Stellen ein Maskottchen oder ein Avatar auftauchen, das Hinweise zu den Spielregeln gibt oder die Lernenden lobt, wenn sie eine Aufgabe erfolgreich gemeistert haben.
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spielen und so produktiver
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spielen und
Ausblick: Arbeitswelt und Lernen im Wandel
Warum ist es nun so wichtig, die berufliche Weiterbildung zu überdenken und verstärkt auf Konzepte wie Gamification setzen? Das liegt an dem Wandel, den unsere Arbeitswelt durchläuft. Zum einen werden Prozesse digitaler. Die vielen Neuerungen machen Weiterbildungen und Zusatzqualifikationen unumgänglich.
Ein weiterer Punkt: Die Lebensläufe Ihrer Mitarbeitenden werden in Zukunft zunehmend anders aufgebaut sein, als Sie es gewohnt sind. In den wenigsten CVs wird noch eine vollkommen gerade Linie erkennbar sein: Stattdessen wird es immer mehr Abbiegungen und Neuanfänge geben. Häufige Neuorientierungen bedeuten auch häufige Lernphasen – Arbeits- und Lernphasen wechseln sich praktisch ständig ab. Daher wird es umso wichtiger, Lernprozesse zu optimieren bzw. effizienter zu machen.
Und eine weitere Veränderung wird auf jeden von uns zukommen: In Zukunft suchen Unternehmen ihre Mitarbeitenden nicht mehr anhand des Abschlusses, sondern anhand deren Portfolio an „Skills“ aus, die sie sich im Laufe ihrer Ausbildung und des Berufslebens aneignen. Aus Unternehmenssicht gibt es dann zwei zentrale Herausforderungen:
- Sie müssen Ihre Mitarbeitenden bestmöglich mit den zukünftig benötigten Skills ausstatten.
- Sie müssen Ihre Mitarbeitenden mit diesen Skills im Unternehmen halten.
Lebenslanges Lernen: Gamechanger Gamification?
Gamification kann unter bestimmten Voraussetzungen einen Teil dazu beitragen, lebenslanges Lernen in Ihrem Unternehmen auf ein neues Level zu bringen. Und dabei auch die Effizienz der Lernprozesse erhöhen. Indem Emotionen im Lernprozess aktiviert werden, erhöht das die Motivation und neues Wissen festigt sich stärker als bei „herkömmlichen“ Herangehensweisen.
Gamification kann auch Teil eines wirksamen Change Managements sein. So lassen sich dann anstatt neuer Wissensinhalte und fachlicher Skills Veränderungen in den Unternehmensstrukturen und Prozessen spielerisch erlernen. Das Change Management stellt ebenfalls eine große Herausforderung im Kontext digitale Transformation dar.
Wo es Chancen gibt, gibt es auch Risiken: Wird Gamification falsch oder zu beliebig eingesetzt, kann das dazu führen, dass Ihre Mitarbeitenden nur kurzzeitige oder sogar gar keine Lerneffekte erzielen. Probleme können etwa sein, dass die Oberfläche zu einfach und das Spielprinzip zu monoton gestaltet ist. Wenn zum Beispiel einfach nur immer wieder ein- und derselbe goldene Pokal aufleuchtet, wenn die Lernenden eine Aufgabe erfolgreich gelöst haben, kann das ziemlich plump rüberkommen und eher eine Abwehrreaktion hervorrufen.
Mit der Zeit kann sich außerdem ein Gewöhnungseffekt bei den Lernenden einstellen: die Belohnungen, die sie für ihre Leistungen bekommen, motivieren sie dann nicht mehr ausreichend, um genauso erfolgreich zu lernen wie noch zu Beginn des Spiels. Und Sie müssen auch daran denken, dass es Mitarbeitende gibt, die sich nicht an die Regeln halten und „schummeln“, um an die Belohnungen zu kommen.
Wegen dieser Schwierigkeiten kommt es in der Praxis häufiger vor, dass Gamification-Projekte wieder eingestellt werden. Sie sollten sich daher unbedingt an den genannten Erfolgsfaktoren orientieren, wenn Sie Gamification in der Weiterbildung einsetzen möchten.
Größere Unternehmen nutzen Gamification auch in anderen Bereichen, wie etwa im Marketing oder im Recruiting-Prozess. Richtig eingesetzt ist es zudem ein nützliches Employer Branding-Instrument: Unternehmen, die dieses Lernkonzept anbieten, macht das attraktiver für Bewerber sowie für bestehende Mitarbeitende. Denn natürlich klingt es viel cooler, sich neues Wissen anzueignen während man im Unbesiegbar-Modus Münzen einsammelt und über Schluchten springt, als beim schriftlichen Zusammenfassen 300-seitiger Unterrichtsskripte. Bei Super Mario würde der Display dann irgendwann einfach „Game Over“ anzeigen.